Alicia Stolle ist nicht zum ersten Mal bei einem grossen Turnier mit dabei, doch ihre Rolle hat sich etwas verändert. Im Duell mit Ungarn kann sie zu einem ganz wichtigen Faktor werden, denn sie kennt den Gegner in- und auswendig. Im Interview spricht sie über den aktuellen Gegner, das deutsche Team und sich persönlich.
Hier in Valencia herrscht zur Zeit bestes Wetter und ich habe das Gefühl, das steckt auch die ganze Mannschaft so ein bisschen an, dazu noch die zwei Siege. Alle, mit denen ich spreche, sagen, “ach, es ist großartig – wir haben so viel Spaß.” Kann man über Spaß auch mehr Erfolg erreichen, als man normalerweise hat?
Ich würde es eher als Freude bezeichnen. Das ist es was die Mannschaft derzeit verinnerlicht und als Team können wir sehr viel davon auf die Platte bringen. Natürlich beflügelt das und wenn dann jetzt noch der Erfolg dazu kommt, trägt das auf jeden Fall dazu bei, dass vielleicht noch mehr möglich ist.
Es ist ja jetzt nicht dein erstes Turnier, Du hast schon bei einigen Grossereignissen mitgespielt. Mein Eindruck ist, dass ein neuer Geist herrscht. Würdest Du mir da zustimmen?
Es ist schwierig Vergleiche zu ziehen. Ich denke, dass wir dieses Jahr mehr über eine mannschaftliche Geschlossenheit kommen und das uns das auszeichnet. Wir sind von allen Positionen torgefährlich und nicht wie andere Nationen auf zwei Spielerinnen angewiesen. Jede Spielerinn hat ihren Anteil und man kann wechseln. Wir haben auch eine gewisse Breite in der Mannschaft und ich denke, dass dies, im Verlauf des Turniers, noch sehr wichtig sein wird.
Du bist eine Spielerin, die mit FTC in der Champions League spielt und kommst dann zur Nationalmannschaft und musst Dich jetzt mit einer neuen Rolle anfreunden. Fällt Dir das schwer?
Nein, gar nicht. Natürlich will jeder spielen. Darum sind wir hier. Aber ich denke, dass uns gerade das auszeichnet, dass wir jetzt hier als Mannschaft auftreten und der Teamerfolg im Vordergrund steht.
Ich würde sogar behaupten Deinem Spielstil kommt es vielleicht entgegen erst nach 15 bis 20 Minuten ins Spiel zu kommen, wenn die Abwehr vielleicht etwas müder ist und Du mehr Raum hast aus dem Rückraum hochzusteigen und von dort die Tore zu machen. Wie siehst Du das?
Schwierig zu sagen…
Klar, Du hast gerade gesagt, dass jeder immer spielen will…
Ja, natürlich. Aber ich denke, dass wir gerade mit Alina Grijseels auf der Mittelposition eine Spielerin haben, die Raum für den Rückraum schafft und ein gutes Kreuzen anziehen kann. Wenn wir dann auf links auch noch torgefährlich sind, dann sind wir breit aufgestellt und haben Platz für die Kreisläufer. Ich denke, dass das noch ein großer Pluspunkt sein wird.
Am Montag geht es gegen Ungarn. Aktuell ist das Deine Wahlheimat und wird es auch noch bleiben, derweil Du Deinen Vertrag verlängert hast. Wie ist diese Mannschaft einzuschätzen?
Dort vollzieht sich gerade auch ein großer Umbruch. Sie spielen jetzt zwar schon ein bisschen länger mit diesen jungen Spielerinnen zusammen, aber ich denke, dass sie, wie wir auch, über die Mannschaft kommen und sehr motiviert sein werden. Man hat bei Olympia gesehen, dass sie in der Lage sind große Nation zu schlagen, aber an schlechten Tagen auch mal verlieren.
Ungarn ist so ein bisschen wie eine Wundertüte. Aber ich bin mir sicher, dass sie auf jeden Fall stark kämpfen werden. Dann wird es drauf ankommen, wer den besseren Tag hat und wer vielleicht noch ein kleines bisschen mehr kämpft.
Wo siehst Du die größte Stärke dieser Mannschaft?
Ich denke, dass Ungarn gerade im Tempospiel zusammen mit den Torhütern und ihren starken Außen Akzente setzen werden, aber auch im Rückraum. Es an unserer Abwehr liegen dagegen zu halten. Und ich denke, dass wir das in den ersten Spielen besonders gut gemacht haben und dass sie sich da die Zähne ausbeißen werden.
Du hast jetzt gerade die Abwehr schon angesprochen. Ich glaube, dass das so ein Faustpfand im Vergleich zu den Ungarinnen ist.
Ja, auf jeden Fall. Ich denke schon, dass unsere Abwehrarbeit uns auszeichnet und dass wir da vielleicht einen kleinen Pluspunkt gegenüber den Ungarinnen haben. Aber ich bin auch der Meinung, dass die Breite unseres Kaders einen gewissen Vorteil bietet.
Man hört ja immer, dass von Spiel zu Spiel gedacht wird. Für viele ist das eine Floskel. Wie schwer ist das eigentlich tatsächlich, von Spiel zu Spiel zu denken?
Ja, natürlich liebäugelt man immer. Was ist noch möglich? Welche Gegner können kommen und wie sieht es in der Hauptrunde aus? Und natürlich weiß jede, dass es wichtig ist noch einen Schritt weiter zu gehen und das wir morgen diese zwei Punkte für die Hauptrunde benötigen, um noch Chancen auf das Viertelfinale zu haben. Das hat man natürlich im Hinterkopf. Aber unserer Mannschaft tut es gerade gut, wenn wir nur von Spiel zu Spiel schauen und jetzt erst mal den vollen Fokus auf dem Spiel gegen Ungarn legen.
Ein ganz anderes Themen möchte ich noch kurz anbringen. Wenn man jetzt auf die Ergebnisse schaut, dann gibt es viele klare Resultate. Es ist das erste Turnier mit 32 Mannschaften. Ich hatte bei der Männer-WM schon das Gefühl, dass das ein paar zu viele sind. Jetzt guckt man auf diese Resultate und sieht teilweise 50 Tore, oft über 40 Tore. Glaubst Du, dass das dem Frauenhandball auch schaden kann?
Schwierige Frage. Schaden? Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich denke in unserer Gruppe ist es jetzt nicht so gravierend, weil wir in der einzigen europäischen Gruppe spielen. Aber gerade bei einigen anderen Nationen guckt man sich die Partien an und fragt sich, ob man das heute anschauen sollte, denn es wird ja nicht spannend. Aber es kommt ja noch die Hauptrunde.
/ Sascha Staat